AZ: Preview: Knack! Oper auf den Kopf gestellt

AZ, Freitag, 14.03.2003

Knack! Oper auf den Kopf gestellt

Sonntag Premiere am Gärtnerplatz: Terterjans “Beben”

Ein vergleichbares Stück hat es wohl am Gärtnerplatztheater noch nie gegeben. Mit Operette und deutschsprachigem MozartRepertoire wird Münchens kleineres Opernhaus gern identifiziert. Doch Neues – und Altes in neuer Sicht – hat dort mittlerweile einen guten Platz. Dieses Wochenende wollen Regisseur Claus Guth (38) und Dirigent Ekkehard Klemm (44) “das Haus auf den Kopf steilen” – mit der Urauführung “Das Beben” des armenischen Komponisten Awet Terterjan (Premiere am Sonntag, 19 Uhr).

Ein völlig ungewohntes Erlebnis verspricht dieses aufwändige und komplizierte Stück zu werden. “Klangereignisse, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen”, kündigt Ekkehard Klemm da etwa an. Auch optisch wird vieles anders sein als sonst – das ganze Parkett wandelt sich, durch einen Umbau zur Bühne. Das Publikum blickt von Balkon und Rängen wie in eine Schlucht hinunter, in der das Geschehen stattfindet.

…..

Doch nicht etwa vorwiegend laut ist Terterjans Musik – eher im Gegenteil -, sondern vor allem elementar. Von einer “ganz eigenen, ganz archaischen, unwahrscheinlich sparsamen Tonsprache” spricht Klemm. “Die Streicher haben in den ersten zwanzig Minuten jeder nur einen einzigen Ton auszuhalten: Das ergibt einen Akkord, der dann immer wieder neu gefärbt wird. Allmählich kommen andere Klänge hinzu, Chor, Schlagwerk, Glocken. So wird eine unwahrscheinlich meditative Atmosphäre erzeugt, die aber fern jeder Esoterik ist.” Ein Stück voller prägnanter Reduktion: Das Bild des wiedererwachenden Lebens nach dem Erdbeben wird bei Terterjan durch drei Worte charakterisiert:,Leben-werden-wir’. Durch Wiederholung kippt es um in eine merkwürdige Aggressivität – was wir ja täglich erleben. Fast lakonisch wirkt ein Partitur-Eintrag an der Stelle, wo das Beben einsetzt (und Geräuschzuspielungen die Musik naturalistisch erweitern): Da steht in dicken Großbuchstaben das Wort “Knack”. Etwas Prophetisch-Unheimliches hat das Werk: Ein Jahr nach dessen Entstehung kamen in Armenien 25 ooo Menschen durch ein Erdbeben ums Leben. Die Uraufführung findet am Vorabend eines möglichen politischen Erdbebens statt. So viel zur Aktualität von Oper.

Roland Spiegel