Dresdner Neueste Nachrichten: Kraft des Clusters und des einzelnen Tons

Dresdner Neuesten Nachrichten, May 18, 2005:

Kraft des Clusters und des einzelnen Tons

Nicht zum ersten Mal stand Michael Helmrath am Pult der Dresdner Sinfoniker, und nicht zum ersten Mal bot er eine von Anfang an außergewöhnliche dirigentische Leistung. Zwar machten es ihm die Dresdner Sinfoniker mit ihrem freiwilligen Engagement vergleichweise leicht, aber die drei Werke des Programms im Kulturpalast fordern auch einen erfahrenen Dirigenten wie ihn über das Normalmaß hinaus. Dabei waren die Voraussetzungen wieder einmal alles andere als leicht. Die Musiker kommen aus verschiedenen europäischen Orchestern, spielen also nicht ständig zusammen und müssen bei den wenigen intensiven Proben erst zusammengeführt werden.

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Nachdem das Orchester unter Helmrath 1999 bereits die dritte Sinfonie des Armeniers Awet Terterjan aufgeführt hatte, folgte jetzt die fünfte, ein Werk für die kaukasische Stachelgeige Kemantscha und Orchester. Über weite Strecken herrscht darin eine meditative Ruhe, die die Kraft eines einzigen Tons deutlich werden lässt. Die Kemantscha, ausgezeichnet gespielt von Hratch Awetikjan, stimmt in der Mitte des Werks einen Klagegesang an, der sich dem Hörer unvermittelt in die Seele bohrt. An anderen Stellen reißt die Faktur auf und enthüllt Klangwelten, die an bizarre verkarstete Landschaften denken lassen. Das Fortissimo ist kaum zu überbieten; nicht weniger als zwölf Musiker spielen die Schlaginstrumente, darunter Glocken verschiedener Größe, die eigens aus Augsburg geholt werden mussten. Diese Sinfonie verrät viel von den Schmerzen ihres Schöpfers, lässt aber die Hörer nicht in Trostlosigkeit erstarren.

Die Dresdner Sinfoniker haben bisher noch nie enttäuscht. Auch dieses Konzert machte da keine Ausnahme.

Peter Zacher
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